Die S�chsischen F�rsten- und Landesschulen. Interaktion von lutherisch-humanistischem Erziehungsideal und Eliten-Bildung

Die S�chsischen F�rsten- und Landesschulen. Interaktion von lutherisch-humanistischem Erziehungsideal und Eliten-Bildung

Organisatoren
Institut f�r S�chsische Geschichte und Volkskunde e.V., Mei�en
Ort
Mei�en
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.04.2003 - 03.04.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Jonas Fl�ter, Dresden/Leipzig

Die Tagung wurde gef�rdert durch die Fritz Thyssen Stiftung, K�ln. Eine Publikation der Tagungsbeitr�ge ist geplant.

Seit der Er�ffnung des S�chsischen Landesgymnasiums St. Afra in Mei�en ist das Interesse an den Vorg�ngereinrichtungen bedeutend gestiegen. Die F�rsten- und Landesschulen in Grimma und Mei�en geh�rten zu den bedeutendsten evangelischen Bildungseinrichtungen. An ihnen wurde eine gro�e Zahl von Pers�nlichkeiten ausgebildet und erzogen, die sp�ter in die wissenschaftliche, politische und gesellschaftliche Elite aufstiegen. �berdies bildeten die F�rstenschulen das Modell f�r den Auf- und Ausbau vergleichbarer Bildungsst�tten in anderen deutschen L�ndern.
Zu dieser Thematik veranstaltete das Institut f�r S�chsische Geschichte und Volkskunde e.V. (ISGV) vom 1. bis 3. April 2003 in der Evangelischen Akademie Mei�en (ehemaliger �konomiehof der F�rsten- und Landesschule St. Afra zu Mei�en) eine wissenschaftliche Tagung, die von der Fritz Thyssen Stiftung, K�ln, gef�rdert wurde. F�nfzehn Historiker, Bildungshistoriker, Kunsthistoriker und P�dagogen behandelten zwei Themenkomplexe: Der erste Teil war im engeren Sinne der Geschichte der s�chsischen F�rsten- und Landesschulen und der zweite Teil dem Vergleich gewidmet. Hier wurde die Modellfunktion der s�chsischen F�rsten- und Landesschulen f�r die Entstehung h�herer Lehranstalten in anderen Regionen und f�r die Elitenformation beleuchtet. Der Vergleich bezog sich auf regionale, konfessionelle und soziale Aspekte.
Die Tagung wurde durch den Gesch�ftsf�hrenden Direktor des ISGV, Herrn Professor Dr. Winfried M�ller, den Direktor der Evangelischen Akademie Mei�en, Herrn Peter Vogel, den Leiter des Landesgymnasiums St. Afra, Herrn Dr. Werner Esser, und den Tagungsleiter Herrn Professor Dr. Dr. G�nther Wartenberg er�ffnet.
Den Einf�hrungsvortrag: "Die s�chsischen F�rsten- und Landesschulen in der deutschen Bildungslandschaft" hielt Herr Professor Dr. Heinz-Werner Wollersheim (Universit�t Leipzig). Herr Wollersheim skizzierte die Entwicklung und Profilierung der F�rstenschulen im 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert. Im ersten Teil ging er auf die Stellung der F�rstenschulen im Rahmen der Schulkonzeptionen von Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen, Johannes Sturm und Jakob Brenz ein. Der zweite und dritte Teil war dem Verh�ltnis der F�rstenschulen zu den neuen Bildungsinstitutionen des 17. Jahrhunderts und den geistigen Str�mungen des 18. Jahrhunderts gewidmet. Im vierten Teil stand die Wechselbeziehung zwischen F�rstenschulen und den staatlichen Gymnasien des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Am Schluss formulierte Herr Wollersheim drei Fragen, die sich als f�r die Tagung leitend erwiesen. Sie bezogen sich auf den Mythos, das regionale und nationale Identifikationspotential sowie die demokratische Tradition der F�rstenschulen.
Den Themenkomplex zur Geschichte der s�chsischen F�rsten- und Landesschulen er�ffnete Herr Professor Dr. Enno B�nz (Universit�t Leipzig/ ISGV) mit seinem Vortrag: "Die mitteldeutsche Bildungslandschaft am Ausgang des Mittelalters". Nach einer Bestimmung der Begriffe "Mitteldeutschland" und "Bildungslandschaft" wurde ein �berblick zum Forschungsstand gegeben. Herr B�nz ging dann auf die Anf�nge des mitteldeutschen Schulwesens ein und konzentrierte sich speziell auf die Stifts- und Klosterschulen, das st�dtische Schulwesen, das Schulwesen auf dem Lande sowie spezifische Schulordnungen.
Herr Professor Dr. Dr. G�nther Wartenberg (Universit�t Leipzig) skizzierte in seinem Beitrag: "Die reformatorisch-humanistische Bildungskonzeption der Wittenberger Reformation und die F�rstenschulen" die landesherrlichen und die kirchlichen Einfl�sse auf das Bildungswesen. Er ging dann auf die landesgeschichtlichen Voraussetzungen zur Gr�ndung der F�rstenschulen ein und verdeutlichte, dass das Schulwesen im albertinischen Sachsen weit mehr durch die Humanisten Georg von Komerstadt und Johannes Rivius als durch die Wittenberger Reformatoren beeinflusst wurde. Dieser Einfluss wurde auch bei der Konzeption der s�chsischen F�rstenschulen deutlich.
Im Vortrag: "Das Fin de si�cle als Z�sur in der Geschichte der F�rstenschulen" konzentrierte sich Herr Dr. Jonas Fl�ter (ISGV) auf zwei Themenkomplexe. Zum einen ging er auf die Normierung und die Nationalisierung der gymnasialen Bildung im Allgemeinen und die Stellung der F�rstenschulen innerhalb dieser Entwicklung ein. Zum anderen skizzierte er die Folgen, die der kulturelle Wandel f�r die s�chsischen F�rstenschulen mit sich brachte.
Frau PD Dr. Barbara Schneider (Universit�t Bonn) zeichnete im ersten Teil ihres Vortrages: "Die s�chsischen F�rstenschulen unter dem Einfluss nationalsozialistischer Bildungspolitik" die Ideologisierung von Bildung und Erziehung des h�heren Schulwesens im Nationalsozialismus nach. Sie ging danach auf das Verh�ltnis von F�rstenschulen und nationalsozialistischer Bildungspolitik ein. Frau Schneider konnte zeigen, dass der Zugriff des nationalsozialistischen Regimes besonders energisch war. Der Widerstand der F�rstenschulen blieb dagegen gering.
Die komparatistischen Vortr�ge wurden w�hrend der Tagung in einem Themenblock zusammengefasst. Dieser wurde mit dem Beitrag von Frau Agnes Winter (Humboldt-Universit�t Berlin): "Das Joachimsthalsche Gymnasium als F�rstenschule der Hohenzollern in der Zeit von Territorialisierung und Konfessionalisierung (1607-1740)" eingeleitet. Frau Winter zeichnete die Entwicklung des Joachimsthalschen Gymnasiums in vier Phasen nach: 1. die Konfessionalisierung um 1539, 2. die konfessionelle Reformation 1613 bis 1636, 3. die fortgesetzte Konfessionalisierung 1660 bis 1688 und 4. das K�nigliche Gymnasium. Frau Winter konnte zeigen, dass sich die Schulordnung des Joachimsthalschen Gymnasiums an die s�chsische Neue Landesordnung vom 1543 anlehnte und vor allem, dass in der ersten Entwicklungsphase der Lehrk�rper des Gymnasiums weitgehend philippistisch gesinnt war.
Herr Dr. Stefan Ehrenpreis (Humboldt-Universit�t Berlin) konnte in seinem Vortrag: "Die F�rstenschulen von Brandenburg-Ansbach und ihre Bedeutung im Vergleich mit dem s�chsischen Modell" sowohl die s�chsischen als auch die w�rttembergischen Einfl�sse verdeutlichen, die bei der Gr�ndung der F�rstenschule Heilsbronn wirkten. Die Gr�nde f�r die Unterschiede zu den s�chsischen F�rstenschulen erkannte Herr Ehrenpreis in der Gr�ndungsphase. W�hrend die s�chsischen Schulen in der Reformationszeit eingerichtet wurden, fiel die Gr�ndung von Heilsbronn in die Hochphase der Konfessionalisierung. So erscheint auch erkl�rlich, warum die Sch�lerrekrutierung in Heilsbronn st�rker zentralstaatlich organisiert war als in Sachsen.
Frau PD Dr. Sabine Holtz (Universit�t T�bingen) pr�sentierte in ihrem Beitrag: "Promotion erw�nscht - Bildungsstandards der politischen Elite W�rttembergs im 17. Jahrhundert" neben den w�rttembergischen Klosterschulen ein "Zweites W�rttemberger Modell". W�hrend die Ausbildung an den Klosterschulen allein auf die Heranbildung von Theologen zielte, konzentrierte sich das Stuttgarter P�dagogium vorzugsweise auf die Vorbildung f�r alle anderen Fachrichtungen, insbesondere f�r Juristen.
Herr Karl B�chsensch�tz (rektor portensis) und Frau Petra Dorfm�ller (Landesschule Pforta) pr�sentierten ihre Beitr�ge zum Thema: "Von Sachsen nach Preu�en - Schulpforte im 19. Jahrhundert". Herr B�chsensch�tz ging auf die Schulreformpl�ne von Johann August Ernesti von 1773 und die Reform von Franz Volkmar Reinhard 1808/11 ein. Er verdeutlichte, dass die Reformpl�ne erst nach dem �bergang Schulpfortes in die preu�ische Schulverwaltung volle Entfaltung fanden. F�r die Landesschule Pforta war der �bergang von Sachsen nach Preu�en somit mit einem Modernisierungsschub verbunden. Frau Dorfm�ller widmete sich dann den konkreten Umsetzungsmechanismen von Verwaltungs- und Schulreformkonzeptionen in der Landesschule und konnte zeigen, da� im Widerstreit zwischen preu�ischer Schulverwaltung und Schulleitung sich letztere durchaus behauptete.
Herr Pfarrer Jens Bulisch (Putzkau) widmete sich in seinem Vortrag: "Die F�rstenschulen und die Sorben" einem spezifischen Ph�nomen, der sogenannten wendischen Priesterstelle an der F�rsten- und Landesschule St. Afra zu Mei�en. Herr Bulisch arbeitete heraus, dass nicht nur diese Freistelle, sondern seit Anfang des 17. Jahrhunderts an den F�rstenschulen auch weitere Freistellen speziell f�r S�hne sorbischer Pfarrer reserviert waren und damit eine spezifische theologische Strukturf�rderung der Oberlausitz verbunden war. Die Mehrzahl der sorbischen Eliten wurde allerdings in Bautzen ausgebildet.
Den Themenbereich des konfessionellen Vergleichs leitete Herr Professor Dr. Thomas Maissen (Universit�t Luzern) mit dem Beitrag: "Das Z�rcher Schulwesen im Zeitalter von Humanismus, Konfessionalisierung und Fr�haufkl�rung" ein. Herr Maissen ging auf die verschiedenen Z�rcher Schultypen insbesondere auf die Hohen Schulen und das Collegium Carolinum ein. Durch die Analyse von Ulrich Zwinglis Auffassung der Schule als reformatorisches Instrument wurde der Vergleich mit dem s�chsischen Modell deutlich.
Frau Dr. Hannelore Putz (Universit�t M�nchen) stellte mit ihrem Referat: "Der kulturkonfessionelle Vergleich - Das Schulwesen der Jesuiten in der Oberdeutschen Provinz SJ" den Vergleich in den Mittelpunkt. Sie skizzierte die Bildungskrise zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Am Beispiel des Jesuitenkollegs M�nchen stellte Frau Putz das dreistufige jesuitische Bildungswesen vor und konnte so Parallelen zum Modell der s�chsischen F�rstenschulen zeigen: den Aufbau auf dem Unterricht der Lateinschulen sowie die kostenfreie Internatsunterbringung. Als wesentliche Unterschiede kristallisierten sich heraus, dass das Gymnasium der Jesuiten ein Teil des Kollegs und keine eigenst�ndige Bildungseinrichtung war und das jesuitische Bildungswesen weitgehend unabh�ngig von landesherrlichen Einfl�ssen agieren konnte.
Der Themenbereich des sozialen Vergleichs sollte durch den Vortrag von Frau Beke Maisch (N�rnberg) eingeleitet werden. Wegen eines Trauerfalls musste Frau Maisch leider kurzfristig absagen.
Herr Hans-Martin Moderow (Universit�t Leipzig) skizzierte in seinem Vortrag: "F�rstenschulen und b�rgerliches Bildungsideal - Untersuchungen am Beispiel der Stadt Leipzig im 19. Jahrhundert" b�rgerliche Vorstellungen von Ausbildung und Erziehung. Ausgehend von den Bildungsidealen von Herder, Goethe, Fichte und Hegel konnte Herr Moderow die enorme Bedeutung zeigen, die insbesondere das Leipziger Handels- und Wirtschaftsb�rgertum einer fundierten h�heren Bildung beima�. Allerdings richtete sich diese immer weniger auf eine humanistische Bildung, die die alten Sprachen in den Vordergrund stellte, sondern zunehmend auf eine reale Bildung mit modernen Sprachen und Naturwissenschaften.
Der Schlu�punkt der Tagung wurde durch den Diavortrag von Herrn Christoph K�hn (Leipzig) "Historismus im Kontext - Die Architektur der F�rsten- und Landesschulen in ihrem baugeschichtlichen und topographischen Umfeld" gesetzt. Herr K�hn pr�sentierte die Neubauten der F�rstenschulen Mei�en, Grimma und Schulpforte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und stellte diese in den Zusammenhang mit anderen historistischen Schul-, Zweck- und Profanbauten in Deutschland. Es konnte gezeigt werden, dass die F�rstenschulen Ende des 19. Jahrhunderts moderne, dem allgemeinen Standard entsprechende Schulbauten erhielten.

Der zweite Tag der Tagung wurde mit einer Podiumsdiskussion abgeschlossen, die unter dem Titel: "Die s�chsischen F�rsten- und Landesschulen - Tradition und Moderne" stand. Als Gespr�chspartner nahmen Herr Karl B�chsensch�tz, Rektor der Landesschule Pforta, Herr Dr. Werner Esser, Leiter des S�chsischen Landesgymnasiums St. Afra, Herr Dr. Hans-J�rgen Kliemant, Mitglied des Vereins ehemaliger F�rstensch�ler, Frau Landr�tin a.D. Renate Koch, stellvertretende Vorsitzende des Vereins der Freunde und F�rderer des S�chsischen Landesgymnasiums St. Afra, und Herr Klaus-Dieter Tschiche, Leiter des Gymnasiums St. Augustin zu Grimma, teil. Die Gespr�chsleitung hatte Herr Dr. Jonas Fl�ter. Die Leiter jener drei Schulen, in denen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die F�rsten- und Landesschulen untergebracht waren, skizzierten die Bildungs- und Erziehungsschwerpunkte ihrer modernen Bildungseinrichtungen. Von besonderem Interesse war das Landesgymnasium St. Afra, das erst im Herbst 2001 seinen Lehrbetrieb aufgenommen hatte. In diesem Zusammenhang berichteten Herr Kliemant und Frau Koch, wie die Vereine den Gr�ndungs- und Er�ffnungsprozess des Landesgymnasiums begleiteten.
F�r die Thematik der s�chsischen F�rsten- und Landesschulen stellten sich der interdisziplin�re sowie der komparatistische Ansatz der Tagung als �beraus produktiv heraus. Historiker, Bildungshistoriker, P�dagogen und Kunsthistoriker gingen auf die Entwicklungen der F�rstenschulen selbst ein und stellten diese unter territorialem, konfessionellem und sozialem Blickwinkel in Vergleich mit anderen deutschsprachigen Bildungseinrichtungen. W�hrend bisherige Untersuchungen zu den F�rstenschulen allein aus dem personellen Umfeld der Schulen heraus vorgenommen wurden, �u�erten sich auf der Tagung vornehmlich Fachwissenschaftler zu der Problematik. Mit der Podiumsdiskussion konnte ein Bogen aus der �ber 450j�hrigen Geschichte der s�chsischen F�rsten- und Landesschulen in die Gegenwart gespannt werden.


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