Kunstgeschichte:Muse, Modell - und Malerin

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Charlotte Berend wurde immer �ber ihren ber�hmten Mann Lovis Corinth definiert. In ihrer Romanbiografie stellt Margret Greiner die Frau jedoch als eigenst�ndige Pers�nlichkeit und K�nstlerin vor

Von Barbara Hordych

Das Interessante an Charlotte Berend-Corinth? "Dass sie diese Gegens�tze in sich vereinte: Auf der einen Seite wanderte sie im bayerischen Dirndl als bieder-brave Ehefrau mit ihrem Mann Lovis und den beiden Kindern am Walchensee; auf der anderen Seite tauchte sie ins Berliner Nachtleben ein, fertigte Lithografien der Schauspielerinnen und T�nzerinnen Anita Berber und Valeska Gert an, zu denen sie auch erotische Beziehungen kn�pfte", sagt die M�nchner Autorin Margret Greiner. In ihrer Romanbiografie "Charlotte Berend-Corinth & Lovis Corinth" gelingt es ihr erneut - nach ihrem vor zwei Jahren erschienenen Werk �ber Emilie Fl�ge und Gustav Klimt -, eine K�nstlerin aus dem Schatten ihres bekannteren K�nstler-Partners zu holen. An diesem Donnerstag stellt sie ihr Werk im Buchpalast�vor.

1919 fertigte Charlotte Berend-Corinth acht Lithografien von Anita Berber an - mit der T�nzerein verband sie auch eine erotische Beziehung. (Foto: Hartmut P�stges; Museum Walchensee)

"Lieber Gott. F�hre mich heraus aus dieser Familie. F�hre mein Leben woanders hin, la� mich eine K�nstlerin werden, bringe mich woanders hin", schrieb die sechzehnj�hrige Charlotte in ihr Tagebuch. Ihr Wunsch sollte in Erf�llung gehen. Als j�ngere Schwester der sp�teren Schriftstellerin Alice Berend (deren Unterhaltungsromane Millionenauflage erreichen sollten) wurde Charlotte am 25. Mai 1880 in Berlin in einer b�rgerlichen j�dischen Familie geboren. Ihr Vater war Fabrikant, ihre Mutter eine Bankierstochter. Es bedurfte einiger �berredungskunst, bevor sie von ihrem Vater die Zustimmung bekam, ein Studium an der Kunstschule in der Klosterstra�e zu beginnen. Danach kam der f�r sie folgenreichste Schritt: Sie bewarb sich um einen Platz in der frisch er�ffneten "Malschule f�r Weiber" des Malers Lovis Corinth - da war sie einundzwanzig. Schnell wurde sie Corinths Lieblingssch�lerin, 1903 heiratete sie den 22 Jahre �lteren�Mann.

Was sich zun�chst recht verhei�ungsvoll als produktive K�nstlerverbindung anlie�, mutierte zu einem traditionellen Maler-Modell-Verh�ltnis, als die beiden Kinder kamen - Thomas wurde 1904, Wilhelmine 1909 geboren. Zwar hatte Charlotte Berend durch ihren Mann Zutritt zur vornehmen Berliner Gesellschaft erhalten und auch die Mitglieder der Berliner Sezession kennengelernt; doch gleichzeitig schied sie aus seiner Malschule aus und musste lange auf ihre Malerei verzichten. Zum Teil, weil sie nach der Geburt ihrer Kinder kaum noch Zeit dazu hatte, zum Teil aber auch, weil Corinth sie vehement am Malen hinderte. "Ich bin trotz Flei�es nur sprunghaft vorangekommen, denn ich durfte nur einen Teil meiner Seele f�r mich klingen lassen, nur einen Teil meiner Kraft f�r mich brauchen", umriss Charlotte ihr Dilemma im Tagebuch. Lovis Corinth nahm die Situation billigend in Kauf. "Es tut mir leid. Aber ich w�re ohne sie nicht durchgekommen. Und auch jetzt komme ich ohne sie nicht aus. Sie ist noch jung. Sie kann das nachholen. Aber mit mir ist's was anderes." Als Corinth dies schrieb, war er 53 Jahre alt, Berend 31. Er hatte 1911 einen Schlaganfall erlitten, seine Frau pflegte ihn danach�monatelang.

Dass sie doch weiter auf ihrer Malerei beharrte, beweist ihr 1906 bei einer Ausstellung der Sezession pr�sentiertes Gem�lde "Die M�tter". Das Bild, das heute als verschollen gilt, zeigte eine Gruppe von acht Frauen mit ihren Kindern. Zwei Jahre sp�ter wurde ihr eruptiv expressionistisches Gem�lde "Die schwere Stunde", die drastische Darstellung einer Frau in den Geburtswehen, f�r die Fr�hjahrssezession angenommen. "Charlotte Berend hat ein Historienbild des Naturgesetzes gemalt; es m��te neben Michelangelos Moses im Tempel der Galerien h�ngen" lobte Else Lasker-Sch�ler emphatisch das Werk. Dessen Kraft sich heute leider nur noch auf Fotografien erahnen l�sst. W�hrend des Ersten Weltkrieges wandte sich Berend dem Theater zu. Sie fertigte Zeichnungen von dem Schauspieler Max Pallenberg und von Fritzi Massary, dem ersten weiblichen Musiktheaterstar der Metropole Berlin an. Als sie ihre Mappen mit den Lithografien 1917 in der "Schwarz-Wei�-Ausstellung" der Sezession pr�sentierte, fanden sie rei�enden Absatz. Corinth bezeichnete den Verkaufserfolg seiner Frau als "kolossal". Er dagegen verkaufte nichts. "Seine kriegsbejahenden und r�stungsscheppernden Bilder konnten keine Aufmerksamkeit gewinnen", schreibt dazu die Autorin Margret Greiner. Und l�sst keinen Zweifel daran, bei wem in dieser K�nstlerpaarung ihre Sympathien liegen.�Verst�ndlicherweise.

So betreute Charlotte Berend von 1918 an den Bau des gemeinsamen Hauses in Urfeld am Walchensee. Allerdings verbot ihr Corinth, jemals die Landschaft dort zu malen. So war dann er es, der als Maler der "Walchensee-Bilder" ber�hmt wurde. "Das l�ste nat�rlich auch bei mir als Biografin Grausen aus", sagt Greiner. Getr�stet habe sie "Charlottes Aufm�pfigkeit": "Wenn es ihr zuviel wurde, verreiste sie, und niemand wusste, wohin". 1925, noch vor Corinths Tod im selben Jahr, reiste Charlotte sogar als alleinstehende Frau durch Spanien, um zu malen. Ihre �lgem�lde stellte sie im UFA-Palast aus und verbuchte einen sensationellen Erfolg. Alle Objekte wurden verkauft. "Leider sind bis auf eine Ausnahme alle Bilder verschollen. Nur einige Reproduktionen lassen den Reiz dieser Bilder noch�erahnen".

Margret Greiner: Charlotte Berend-Corinth , Donnerstag, 28. April, 19.30 Uhr, Buchpalast, Kirchenstr. 5

SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel k�nnen Sie hier erwerben.
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