Teer

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Holzteer

Teer (von mittelniederdeutsch ter ‚Holzteer‘, ‚Harz‘, verwandt mit germanisch treva, terva ‚Baum‘, ‚Kienholz‘; lateinisch pix, daraus Pech) ist ein bräunliches bis schwarzes, zähflüssiges Gemisch organischer Verbindungen, das durch zersetzende thermische Behandlung (Pyrolyse) organischer Naturstoffe gewonnen wird.[1] Eine andere, auf das spanische alquitrán bzw. das arabische Wort القطران (al-qiṭrān) zurückgehende Bezeichnung für Teer ist Goudron (das französische Wort für Teer), zum Beispiel in Goudronanstrich.

Als Teersee bezeichnet man veraltete Deponien für flüssige Industrieabfälle. Umgangssprachlich werden manchmal auch Asphaltseen als Teerseen bezeichnet.

Produkte, die bei Abtrennung der leichter flüchtigen Anteile (Leichtbenzin, Kerosin, Naphtha, Schweröl usw.) bei der Destillation von Erdöl als Rückstand im Sumpf verbleiben, heißen Bitumen. Bitumen und Teer sind zwei deutlich verschiedene Substanzen, auch wenn beide braunschwarz und dickflüssig sind.

Das im 16. Jahrhundert aus dem Niederdeutschen ins Hochdeutsche übernommene Wort geht zurück auf mittelniederdeutsch ter[e] (→ engl. tar). Das den Bewohnern der Küsten von Nord- und Ostsee (für die der Teer ein unentbehrliches Hilfsmittel beim Schiffbau war) gemeinsame Wort bedeutet eigentlich der/das zum Baum Gehörige und gehört zu indogermanisch deru- Eiche, Baum (→ engl. tree), worauf auch das germanische Baumnamensuffix -đr[a] -der bzw. -ter (etwa in Flieder, Holunder, Wacholder, Affolder = veraltet für Apfelbaum) zurückgeht.[2]

Teerofen zur Holzverschwelung, Seite mit der Heiz�ffnung

Teer kann aus verschiedenen organischen Verbindungen stammen:[3][4]

Die industriell wichtigsten sind Steinkohlenteer und Holzteer, aber es werden auch Teere aus weiteren Quellen produziert:

  • Braunkohlenteer ist eine braune bis schwarzbraune, feste Masse. Er entsteht als wichtigstes Produkt bei der Schwelung[5] von Braunkohle oder Braunkohlenbriketts. Die Menge und Zusammensetzung des Braunkohlenteers ist von der Ausgangskohle und der Art der Schwelung abh�ngig. W�hrend die Heizfl�chenschwelung zu kleineren Teerausbeuten und zu spezifisch schwereren Teeren f�hrt, erh�lt man bei der Sp�lgasschwelung eine wesentlich gr��ere Teerausbeute. Die Sp�lgasteere zeichnen sich durch einen hohen Alkangehalt (Paraffine) aus. Je nach den Zersetzungstemperaturen unterscheidet man Braunkohlenschwelteer (Braunkohlenurteer), der bei Schweltemperaturen von 550 bis 650 �C gewonnen wird, und Braunkohlenhochtemperaturteer (BHT-Teer), der bei Verkokungstemperaturen von 1000 bis 1200 �C anf�llt. Hauptprodukt bei diesen Temperaturen ist der Braunkohlenhochtemperaturkoks (Verkokung). Im Gegensatz zum Steinkohlenteer, der haupts�chlich aromatische Verbindungen enth�lt, besteht der Braunkohlenteer vorwiegend aus aliphatischen Kohlenwasserstoffen.
  • �lteer entsteht bei der thermischen Zersetzung von Mineral�len zu �lgas und bei der Herstellung von Wassergas. Er �hnelt in Beschaffenheit und Zusammensetzung dem Steinkohlenteer, unterscheidet sich jedoch von ihm durch geringere Dichte und durch eine niedrigere Viskosit�t. Ferner enth�lt er kaum Phenole und basische Stoffe. Man verwendet �lteer h�ufig als Brennstoff oder zum Betrieb von Dieselmotoren.
  • Schieferteer ist eine dunkelbraune Fl�ssigkeit, die bei der Schwelung von �lschiefer entsteht und vor allem auf Schmier- und Diesel�l aufgearbeitet wird.
  • Wassergasteer ist eine dunkelbraune, �lig-fl�ssige Masse mit hohem Wassergehalt. Er entsteht bei der Erzeugung von Wassergas oder Generatorgas und enth�lt haupts�chlich aliphatische Kohlenwasserstoffe und aromatische Zersetzungsprodukte.
  • Torfteer ist eine hochviskose, bei Zimmertemperatur oft salbenartige, schwarze Fl�ssigkeit von durchdringend scharfem Geruch, die neben Phenolen ges�ttigte und unges�ttigte aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Pyridin­basen, Schwefel­verbindungen und Fetts�uren enth�lt.
  • Fettteer ist eine braune, z�hfl�ssige Masse, die bei der fraktionierten Destillation von Abfallfetten (Knochenfett, Wollfett, Hautfette, Abdeckereifette, Abw�sserfette und Walkfette), Fetten und fetten �len anf�llt. Er wird destillativ nochmals in verschiedene Fetts�uren zerlegt. Den z�hen, nach dem Erkalten recht harten Blasenr�ckstand bezeichnet man als Stearin- oder Fettpech. Dieses wird f�r die Isolation von Kabeln verwendet.
  • Knochenteer (Hirschhorn�l, Tier�l) entsteht bei der Verkohlung entfetteter, oft noch zerkleinerter Knochen (Tierkohle) als eine schwarzbraune, dicke Fl�ssigkeit von unangenehmem Geruch, aus der man durch Destillation Dippels �l gewinnt. Der Destillationsr�ckstand ist Knochenteerpech.
  • Biomasse-Teer[6] ist eine schwarzbraune, z�hfl�ssige Masse, diese entsteht in der Biomassevergasung bei der Abk�hlung des erzeugten Gases. Er kann f�r verschiedene Zwecke verwendet werden.
  • Pflanzenteer entsteht bei der Verkohlung von Pflanzenkohle oder anderer pflanzlicher Stoffe z. B. Laub, Getreideschalen, Gerberlohe usw.
  • Essigteer entsteht als Absetzr�ckstand des Holzessigs (B�ttenteer, Ligninteer) oder nach dessen Verdampfung im Zweiblasensystem.[7]
  • Weitere Teere: Melasseteer, Schlempeteer, Bagasseteer, Vinasseteer u. a.; sie entstehen bei der Pyrolyse von Melasse, Bagasse, Vinasse und Schlempe.[8]
  • Mondgasteer entstand fr�her bei der Mondgaserzeugung.

Aus Teer k�nnen aromatische Bestandteile wie beispielsweise Naphthalin, Anthracen und Phenanthren isoliert werden. Ru� und Impr�gnier�le f�r den Holzschutz werden ebenfalls aus Teer hergestellt.

Steinkohlenteer­�l hat nach wie vor eine gewisse Bedeutung f�r den industriellen Holzschutz, z. B. f�r Eisenbahnschwellen oder Freileitungsmasten. Er wurde in den letzten Jahren weiterentwickelt, um seine Umweltvertr�glichkeit zu verbessern.

Werkzeuge zum Teeren von Stra�en in Indien

Der Schweizer Arzt Ernest Guglielminetti entwickelte eine Vorl�ufermethode der heutigen Asphaltierung von Stra�en. Zur Staubbek�mpfung lie� er am 13. M�rz 1902 in Monaco erstmals 40 Meter Stra�e mit hei�em Teer bestreichen. Dieses Verfahren fand weltweite Verbreitung und trug Guglielminetti den Beinamen Dr. Goudron (franz�sisch f�r Teer) ein. Entgegen der Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch (Teeren als Begriff f�r Asphaltarbeiten auf Stra�en) ist Teer in Westdeutschland seit dem Jahr 1984[9] und in Ostdeutschland seit 1990 wegen seiner gesundheitssch�dlichen Wirkung f�r den Einsatz im �ffentlichen Stra�en- und Wegebau verboten. Stattdessen verwendet man als Bindemittel heute Bitumen. In manchen F�llen wurde auch so genanntes Carbobitumen (auch Pechbitumen)[10] verwendet. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Bitumen und Teer. Diese Mischform wird ebenso wie der reine Teer in Deutschland nicht mehr verwendet und muss gesondert entsorgt werden.

Gefahren und medizinische Verwendung

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Langzeitiges Einwirken des Teers auf der Haut kann Hautver�nderungen hervorrufen, die im schlimmsten Fall krebsverursachend sind. Teerpr�parate werden bzw. wurden in der Medizin allerdings auch als �u�erlich anwendbare Arzneimittel gegen Hautkrankheiten genutzt, da sie juckreizstillend, keimt�tend und durchblutungsf�rdernd wirken, etwa in Form des von der chemisch-pharmazeutischen Fabrik Medice produzierten Teersprays Dermaethyl[11] zur lokalen Teertherapie.

Als Baustoff ist Teer insbesondere bei der Verarbeitung gesundheitssch�dlich. Bei Kontakt mit Wasser k�nnen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ins Grundwasser gelangen. Daher ist der Einsatz von Teer in Deutschland und �sterreich im �ffentlichen Stra�enbau unter den Gesichtspunkten des Arbeits-, Boden- und Gew�sserschutzes nicht mehr erlaubt. Sollen heute bei Stra�enbauarbeiten alte Schichten aufgebrochen werden, bei denen ein Verdacht auf Teerhaltigkeit besteht, k�nnen Schnelltests mit UV-Licht oder Sprays beispielsweise mit Silberiodid eingesetzt werden. Zur weiteren Analyse werden bei positivem Testergebnis Proben genommen, an denen im Labor der PAK-Wert nach DIN ISO 18287 bestimmt wird. Das Ergebnis dieser Untersuchung bestimmt die m�gliche weitere Verwendung oder Entsorgung. Nur schwach belastetes Material darf je nach Grad der Belastung in unterschiedlicher Weise wiederverwendet werden, zum Beispiel im Kaltrecycling.[12] Um die Teer-Altlasten endgültig aus dem Recyclingkreislauf zu entfernen, sind seit Januar 2018 auf Bundesfernstraßen auch keine teerhaltigen Recyclingbaustoffe mehr zugelassen. Viele Länder haben ähnliche Vorgaben erlassen.[13]

Um die von Teer ausgehenden Gefahren zu mindern, wurden Anfang des 19. Jahrhunderts baupolizeilichen Verordnungen hinsichtlich zur Brandverhütung in Textform erlassen. Beispielsweise erließ die herzoglich-nassauische Regierung im November 1826 eine solche Verordnung für ihr Herrschaftsgebiet. Der Ort und die Art der Aufbewahrung musste dem Ortsschultheißen zur Anzeige gebracht werden, welcher eine polizeiliche Aufsicht veranlassen konnte.[14]

Commons: Teer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Teer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie-Lexikon. Band 6: T–Z, 8. Auflage. Franckh, Stuttgart 1988, ISBN 3-440-04516-1, S. 4137.
  2. Das Herkunftswörterbuch (= Der Duden in zwölf Bänden. Band 7). Nachdruck der 2. Auflage. Dudenverlag, Mannheim 1997, S. 849. Siehe auch Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 7. Auflage. Trübner, Straßburg 1910 (S. 457).
  3. Teer. Lexikon der Chemie. In: www.spektrum.de. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, abgerufen am 29. September 2024.
  4. Teer auf zeno.org., abgerufen am 4. August 2016.
  5. Schwelung auf spektrum.de. abgerufen am 4. August 2016.
  6. York Neubauer: Online-Analyse von Teer aus der Biomassevergasung mit Lasermassenspektrometrie. Dissertation, Technischen Universität Berlin, 2008, online (PDF; 4,97 MB), auf deutsche-digitale-bibliothek.de, abgerufen am 15. Januar 2017.
  7. Max Klar: Technologie der Holzverkohlung. Springer, 1903, ISBN 978-3-642-98495-2 (Reprint), S. 98 f.
  8. Emil J. Fischer: Industrieteere und verwandte Produkte. Knapp, 1933.
  9. Matthias Götz: Gefährdungen und Schutzmaßnahmen im Straßenbau. (PDF 3,94 MB) Wissensportal TU Dresden. In: www.baumaschine.de. Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Prävention, Mai 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Mai 2014; abgerufen am 30. Mai 2024 (S. 303–309).
  10. G. Herion, G. von Mossen: Carbobitumen – Ein vielseitig verwendbares Pechbitumen für den bituminösen Straßenbau. In: Straße und Autobahn. Volume: 37, Issue Number: 3, Kirschbaum Verlag, 1986, OCLC 7286414, In der TRID Database.
  11. Dermaethyl Teerspray. Die optimale Teertherapie bei allen teerreifen Dermatosen im chronischen und subakuten Stadium. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. XXXIII.
  12. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitskreis Güte- und Einsatzkriterien: Technische Lieferbedingungen für Asphaltgranulat: TL AG-StB 09. FGSV-Verlag, 2009, ISBN 978-3-939715-97-9.
  13. Recycling-Baustoffe im Straßenbau. Brandenburgisches Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, abgerufen am 2. Februar 2021.
  14. Franz-Josef Sehr: Das Entstehen der Pflichtfeuerwehren im Heimatgebiet – Ein staatlicher Versuch zur Brandbekämpfung. In: Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg (Hrsg.): Jahrbuch für den Landkreis Limburg-Weilburg 2024. Limburg 2023, ISBN 3-927006-61-0, S. 230–237.