Urdonau

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Urdonau und Entwicklung seit dem Miozän bis heute

Mit dem Begriff Urdonau werden mehrere frühere Zustände in der Geschichte des Flusssystems der Donau bezeichnet. Der Begriff bezieht sich zumeist auf den Laufabschnitt nördlich der Alpen.

Landschaftsgeschichtlicher Rahmen

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Das Donausystem wird vorgezeichnet durch das Molassebecken nördlich des Alpenbogens, das sich im Tertiär nach Faltungs- und Überschiebungsvorgängen stark heraushob. Das Molassebecken war abwechselnd Meeresarm, Süßwasserschwemmland oder versumpfte Niederung, später immer öfter Schotterebene. Es öffnete sich nach Südwesten wie auch nach Osten zum „Ur-Mittelmeer“ bzw. zur Paratethys und entwässerte in festländischen Episoden dorthin. Wechselhaft verhielt sich der Mittelteil, der ungefähr dem heutigen süddeutschen Alpenvorland und dem schweizerischen Mittelland entspricht, denn er entwässerte zunächst nach Osten, dann nach Westen, wieder nach Osten und schließlich, bis zum heutigen Tag, in drei verschiedene Richtungen. Das spätere ostwärts gerichtete Stromsystem kann dabei als Urdonau gelten, da es in mindestens einem Abschnitt, zwischen Passau und Wien, mit ununterbrochenem fluvialem Geschehen auf die heutige Donau überkommen ist.

Molassebecken als Vorläufer

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Der Burgstall bei Haslach im nordöstlichen Niederösterreich besteht aus Schottern der Urdonau und entstand durch Reliefumkehr. Heute verläuft die Donau rund 30 Kilometer weiter südlich.
Schotter und Sande der Urdonau in der Hollabrunn-Mistelbach-Formation im nord�stlichen Nieder�sterreich, aufgeschlossen in einer Schottergrube im Glasweiner Wald.

Im unteren Mioz�n, vor zirka 20 Millionen Jahren, wurde das Molassebecken n�rdlich der Alpen letztmals eine durchgehende ostwestgerichtete Meeresstra�e (Helvetmeer, Obere Meeresmolasse). Sie wurde bald durch die Schwelle von Amstetten (im Grenzbereich des heutigen Ober�sterreich mit Nieder�sterreich) geteilt. Im oberen Mioz�n begann der nordw�rtige Schub der Afrikanischen Platte, neben der laufenden Alpidischen Orogenese, auch das n�rdliche Vorland bis jenseits der Randsenke gro�r�umig anzuheben, am st�rksten beiderseits des heutigen s�dlichen Oberrheingrabens. Gleichzeitig formte sich der Faltenjura. Diese Hebungen schn�rten das westlich der Schwelle verbliebene brackige Flachwasserbecken vom offenen Meer im Westen ab und lie�en es zu einer amphibischen Fluss- und Seenlandschaft werden. Alpine Schuttf�cher f�llten die Senke stetig auf (Molassebecken) und dr�ngten das weiterhin nach Westen gerichtete junge Stromsystem an dessen Nordrand, bereits in die N�he des heutigen Donaulaufs.[1] Hebungs- und Sedimentationsvorg�nge, die sp�ter zur Umkehrung der Flie�richtung nach Osten f�hren sollten, waren damit, vor gut 15 Millionen Jahren, eingeleitet.

Erste Urdonau nach Umkehrung der Flie�richtung

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M�glicherweise beschleunigte bald darauf der Einschlag des Ries-Meteoriten die Flie�umkehr. Wenn auch zun�chst die massiven Dauerregen �ber dem erhitzten Impaktbereich zur Stabilisierung des westw�rts gerichteten Stromsystems f�hrten, in Form des breiten Graupensandstroms, und nachfolgend des gem�chlicheren so genannten Glimmersandstroms, so scheint die mit dem Impaktbeben beschleunigte Hebung im Bereich des S�dschwarzwaldes eine vermehrte Auff�llung des Sedimentationsbeckens erm�glicht zu haben, so dass die tr�gen Gew�sser schlie�lich auch ostw�rts abstr�men konnten, �ber die flache Schwelle von Amstetten hinweg. So schnitt im �lteren Plioz�n, vor etwa 7 Millionen Jahren, erstmals eine Urdonau ein Tal in Richtung Wiener Becken ein.

Die Urdonau verlief streckenweise n�rdlicher als heute. So lief die Donau urspr�nglich �ber das Wellheimer Trockental ins heutige Altm�hltal.

Auch zwischen Neustadtl und Spitz floss sie n�rdlicher als heute, in der Linie des Yspertals, Weitenbachtals und Spitzer Grabens, und ab Krems durch das heutige Weinviertel (Hollabrunn-Mistelbacher Schotterkegel), wo sie in ein brackiges Flachmeer m�ndete.[2][3] Dieses Gew�sser wird auch als Pannonischer See bezeichnet, es nahm neben der Ur-Donau oder Pal�o-Donau einige aus dem Gebiet der Alpen kommende Fl�sse und deren Sedimente auf.[4]

Im Laufe des Plioz�ns bildete sich �ber die ganze Breite der Sedimentebene zwischen den Alpen und der deutschen Mittelgebirgsschwelle (Taunus, Rh�n, Th�ringer Wald) das Stromsystem der Urdonau aus, und zwar in einem auffallend gleichf�rmigen Fischgr�tmuster, so, wie es s�dlich der Donau noch heute der Fall ist. Durch den sich hoch auffaltenden Jura n�rdlich der heutigen Aare wurde vor 3 bis 4 Millionen Jahren auch die heutige obere Rhone ein Teil des Donausystems und sogar dessen Quellfluss. Mit der weiteren Hebung Mitteleuropas wurde in der heutigen Ungarischen Tiefebene der Pannonsee vom Meer abgeschn�rt, und die Donaum�ndung verlagerte sich immer weiter nach Osten. Zugleich wurde das inzwischen stark gehobene obere Einzugsgebiet immer mehr von Westen und Norden her durch Erosionsvorg�nge benachbarter Stromsysteme angeschnitten und verkleinert. Auch der Quellfluss, die obere Rhone, brach nach Westen aus. Es verblieb die noch immer m�chtige Aare-Donau. So verlagerte sich das Urdonausystem insgesamt wieder schrittweise ostw�rts.

Der Verlauf dieses gro�en Urdonaustroms ist heute gut ablesbar an alpinen Flussschottern, die infolge der fortdauernden Hebung heute auf Gipfeln und Plateaus der Schw�bischen Alb liegen, wogegen sich die Donau, meist nur wenig s�dlicher, inzwischen 70 bis 200 Meter tiefer in den Untergrund des Hebungsgebietes eingeschnitten hat (bis etwa Ulm). Die damals noch gro�en n�rdlichen Nebenfl�sse begannen ebenfalls, breite T�ler in die Albhochfl�che einzutiefen.

Feldbergdonau und Altm�hldonau

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Das (nach dem Ries-Impakt) spektakul�rste Ereignis in der Entwicklung der Urdonau war im j�ngeren Plioz�n der Verlust ihres Oberlaufes zum Rhone-Graben hin, der nun durch das heutige Hochrheintal und die Burgundische Pforte den Aare-Sundgaustrom bildete. (Am Ende des Plioz�ns wendete sich dieser Strom dann dem immer tiefer absinkenden Rheingraben und der Nordsee zu, von nun an das Basler Rheinknie bildend.)

Der n�chstgr��te Nebenfluss der gekappten Restdonau, der heutige Alpenrhein, war bis auf weiteres zum Hauptstrom der Urdonau geworden. Dennoch wird sie in diesem Stadium als Feldbergdonau bezeichnet, da der weniger Wasser f�hrende Quellast aus dem Schwarzwald schon weitgehend der heutigen Donau entsprach. Dies gilt am Ende des Plioz�ns auch f�r den weiteren Stromverlauf. Die bemerkenswerteste Abweichung markiert das Wellheimer Trockental und das untere Altm�hltal, in dem die Donau die s�dliche Fr�nkische Alb in weiten Windungen durchschnitt und anschlie�end eine weit nach S�den ausholende Flussschlinge bildete. Dieses Stadium der Urdonau wird daher dort Altm�hldonau genannt.

Der verbliebenen Donau beinahe ebenb�rtig waren nun manche Nebenfl�sse aus dem Norden, deren gr��ter sich aus den entgegengerichteten Vorl�ufern von Werra und Fulda speiste. Bis vor etwa 2,6 Millionen Jahren wurde das Maingebiet durch mehrere Flussl�ufe nach S�den zur Urdonau hin entw�ssert. Erst mit der Entstehung des Oberrheingrabens im �ltesten Pleistoz�n verschob sich die Wasserscheide nach S�dosten. Dementsprechend kehrte zun�chst der westlichste dieser Donaunebenfl�sse seine Flie�richtung nach Westen zum Untermain um, sp�ter geschah �hnliches auch am �stlichen Mainviereck und am Maindreieck, beides Zeugen der alten donauw�rtigen Flie�richtungen. Auch der Neckar und seine Nebenfl�sse entw�sserten nun zum Oberrhein. Der heutige Obermain durchbrach dagegen erst im Donau-G�nz-Interglazial die Ha�furter Keuperstufe und floss von da an ebenfalls nach Westen.

Einen weiteren starken Wasserverlust brachte zu Beginn des mittleren Pleistoz�ns, vor vielleicht 800.000 Jahren, das Ausbrechen des Alpenrheins zum heutigen Hochrheintal mit sich. Die Feldbergdonau entsprang nun tats�chlich im Schwarzwald, zun�chst am Kandel, dann, nach weiteren Verlusten zur Oberrheinebene hin, am Feldberg.

Im mittleren Pleistoz�n verlie� die Donau auch das Wellheimer Trockental. Sie vergr��ert seitdem die Schlucht der Weltenburger Enge.

Die Urdonau wurde w�hrend mehrerer Eiszeiten durch den Vorlandgletscher des Alpenrheins gegen den S�dhang der Schw�bischen Alb gestaut, wo sie als glaziales Flankengerinne viele Talungen hinterlassen hat. In der Ri�-Kaltzeit etwa umfloss die Donau zwischen Ehingen und Ulm das Hochstr�� im Norden. Die Schmiech m�ndete bereits bei Schelklingen in die Donau; heute nimmt sie den Weg zur M�ndung bei Ehingen entgegen der urspr�nglichen Flie�richtung der Donau, w�hrend die kleine Schelklinger Ach der fr�heren Richtung nach Norden folgt. Den unteren Teil dieses ehemaligen Donaulaufs, das Blautal, entw�ssert heute die Blau, die am Blautopf in Blaubeuren entspringt; in der fr�hen Ri�-Kaltzeit entw�sserte der Blautopf direkt in die Donau.[5]

Wutachablenkung

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Verlauf der Wutach und die hydrografische Situation an der Donau

Die beiden letzten Ereignisse auf dem Weg zum heutigen Zustand waren zum einen im Zuge der letzten Kaltzeit, bereits unter den Augen des Menschen, der Verlust der Feldbergdonau an die Wutach und den Hochrhein, auffällig markiert durch das Wutachknie im Verlauf der Wutachschlucht, und zum anderen die Donauversinkung zum Bodensee und Hochrhein hin. Der Schwarzwälder Oberlauf der Donau schickt sich somit gerade an, zu einem weiteren Kapitel der Urdonau zu werden.

Durch eine weitere Hebung der Böhmischen Masse bedingt durch die Alpidische Orogenese sind weitere Flussbettverlagerungen nach Süden zwischen Passau und Tulln zukünftig denkbar.[2]

  • Geographisch-Kartographisches Institut Meyer (Hrsg.): Meyers Naturführer – Südschwarzwald. Mannheim, 1989, ISBN 3-411-02775-4.
  • Johannes Baier: Über die Tertiärbildungen im Ulmer Raum. In: Documenta Naturae, 168, S. 1–32, München 2008, ISBN 978-3-86544-168-3.
  • Johannes Baier: Die Geologie des Ulmer Raums. In: Documenta Naturae, 173, S. 1–44, München 2009, ISBN 978-3-86544-173-7.
  • Otto F. Geyer: Die Hochrhein-Regionen zwischen Bodensee und Basel. Sammlung Geologischer Führer, 94, Berlin 2003, ISBN 3-443-15077-2.
  • Willi Paul: Die Naturgeschichte der Wutachschlucht – Geologie. In: Fritz Hockenjos (Hrsg.): Wanderführer durch die Wutach und Gauchachschlucht, Rombach, Freiburg 1973, S. 11–39.
  • Erwin Rutte: Rhein – Main – Donau. Wie – wann – warum sie wurden. Eine geologische Geschichte. Sigmaringen 1987, ISBN 3-7995-7045-4.
  • Manfred Stephan: Meteoriteneinschlag und Sedimentbildung. Zur Diskussion tertiärer Molasse-Transporte und -ablagerungen nach dem Ries-Impakt. In: Studium Integrale. Journal 5/2, 1988, S. 69–83.

Einzelnachweise

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  1. Vgl. dazu Graupensandrinne
  2. a b Ausgewählte geomorphologische Merkmale in Österreich und in den Alpen: Alter Verlauf des Donautales durch die Böhmische Masse. In: Christof Kuhn: geol-info.at (abgerufen am 1. März 2015)
  3. Ur-Donau-Delta im Norden von Wien entdeckt. Auf: science.orf.at vom 15. Februar 2022.
  4. Matthias Harzhauser, Mandana Peresson, Christian Benold, Oleg Mandic, Stjepan Ćorić, Gert J. De Lange: Environmental shifts in and around Lake Pannon during the Tortonian Thermal Maximum based on a multi-proxy record from the Vienna Basin (Austria, Late Miocene, Tortonian). In: PALAEO - Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology, 610 (2023) 111332. Verlag Elsevier. ISSN 0031-0182 2022.
  5. René Hantke: Flußgeschichte Mitteleuropas. Ferdinand Enke, Stuttgart 1993, S. 229f